Die Reise zum Pass


Wie manche eventuell schon mitbekommen haben, werde ich demnächst geschäftlich in die Vereinigten Amerikastaaten fliegen dürfen. Was mich per se erfreut, auch wenn es wohl über meinen Geburtstag sein wird.

Weniger erfreut hat es mich, als ich wenige Tage später auf den Trichter kam, es könnte eventuell passieren, dass mir mein guter deutscher Personalausweis nicht mehr reicht, um in die Antiterroristischen Staaten von Amerika einreisen zu können. Ich war in meinem Leben noch nie außerhalb der EU bzw. mit der EU in inniger Freundschaft verbundener Staaten (aka Schweiz), Grenzkontrollen kenne ich sowieso nur noch aus meiner frühen Kindheit – und diesen zwei Fahrten nach Tschechien vor deren Beitritt zum Schengen-Abkommen. Nun blieben vom Zeitpunkt der Erkenntnis zu handeln bis zum voraussichtlichen Abflug (nichts genaues was man nicht) noch rund drei Wochen, was ziemlich knapp würde, um von der gerade wieder verstaatlichten Bundesdruckerei einen einwandfreien, biometrisch und fingerabdrückerisch perfekten Reisepass zu erhalten. Wir haben also Montag, den 15. September. Über die komfortable Terminvereinbarungsmöglichkeit auf stadt-koeln.de (Großstädte haben eben durchaus auch Vorteile) mache ich für Freitag, 8 Uhr 30, ein Date mit der Stadt klar. An diesem Termin mussten sich nun alle Vorbereitungsaktivitäten ausrichten.

Als erstes benötige ich eine Geburtsurkunde, sagt mir die Reisepass-Auskunftsseite. Also rufe ich auf dem unglaublich ländlichen Standesamt meiner unglaublich ländlichen Geburtsstadt an. Dazu muss man sagen, dass es schon Mühe gekostet hat, überhaupt diese Telefonnummer herauszufinden. Die Internetseiten der Stadt sind ein Verbrechen an der Surfgemeinschaft und wahrscheinlich vom Neffen des Bürgermeisters erstellt worden. In dieser Stadt meldet man sich auf dem Amt noch mit seinem Nachnamen und sonst nichts, so dass ich nach einer Pause, in der ich die Überraschung ob der kurzen Meldung verdauen musste, meinen Wunsch anmeldete. Dem werde entsprochen, wir müssten uns nur noch über die Bezahlung einigen. Ich könnte die Abschrift persönlich abholen und sieben Euro zahlen. Das erschien mir ein wenig zuviel des Guten, denn dazu kämen noch bestimmt 150 Euro Reisekosten und zwei Tage Urlaub. Ich könnte auch sieben Euro in Briefmarken schicken und bekäme anschließend das DIN-A5-Blatt zugesandt. Das erschien mir zeittechnisch nicht angebracht, denn selbst bei schneller Post und der unwahrscheinlichen Möglichkeit, sofort an eine entsprechende Anzahl an Briefmarken zu kommen, könnte ich den Eingang frühestens Donnerstag erwarten; falls der gemütliche Ansprechpartner auf der Gegenseite das wirklich so schnell bearbeiten würde, woran ich ernsthaft zweifeln musste. Als dritte und letzte Möglichkeit blieb also nur noch, die Bestätigung, dass es mich gibt, per Nachnahme zu versenden, gegen Nachnahmegebühr selbstverständlich.

Mein Zeitplan war knapp, aber haltbar. Der Standesbeamte versicherte, dass der Brief am Dienstag raus ginge. Ja, es war immer noch Montag. Mittag. Egal. Am Mittwoch, spätestens Donnerstag müsste ich also eine Benachrichtigung im Briefkasten haben, könnte sofort auf dem Absatz kehrt machen und hoffen, dass ich es noch vor 18 Uhr 30 in die nahe gelegene Postfiliale schaffe. Falls der Brief Donnerstag käme und ich es nicht rechtzeitig schaffte, hätte ich ein Problem, weil die serviceorientierte Post ja erst wieder um 9 Uhr aufmacht. Aber daran wollten wir ja nicht denken.

Ich brauchte auch noch etwas anderes, als eine Geburtsurkunde. Ich brauchte biometrisch korrekte Passfotos. Ich hatte zwar erst vor ein paar Wochen Passfotos machen lassen für meinen Studentenausweis, aber da lächle ich leider. Dumme Angewohnheit. Also investierte ich eine Stunde meiner Arbeitszeit, um für ganze zwölf Euro sechs unlächelnde Passfotos machen zu lassen. Das ging ja problemlos.

Am Mittwochabend war tatsächlich auch schon eine blaue Benachrichtigungskarte in meinem Briefkasten. Ich könne einen Nachnahmebrief für elf Euro abholen. Elf? Vier Euro Nachnahmegebühren? Wahnsinn. Nun gut, mir blieb ja nichts anderes übrig. Ich warf einen Blick auf die Öffnungszeiten, die dort angegeben waren. Nur zur Sicherheit, man weiß ja nie. Bis 19 Uhr stand da. Ach?! Mein Blick schweifte nach links und ich sah, dass ich dieses kleine Brieflein nicht in »meiner« Postfiliale abholen könnte, sondern in die Innenstadt musste, um dies zu tun. Meine tolle Planung geriet ins Wanken und ich verdanke nur meinem flexiblen Arbeitgeber, dass ich am Donnerstag ein wenig eher Feierabend machen und so rechtzeitig die elf Euro einer netten (!) Postangestellten in die Hand drücken durfte. Nach einer halben Stunde in der Schlange, aber damit rechnet man ja.

Alle Vorarbeiten waren also getätigt. Jetzt konnte nur noch passieren, dass ich etwas wichtiges übersehen hatte. Hatte ich aber nicht. Die nette (!) Stadtangestellte wollte von mir: den Personalausweis, ein Passfoto, zwei Fingerabdrücke (linker und rechter Zeigefinger, elektronisch erfasst) und 91 Euro. 59 Euro Normalpreis plus wahnsinnige 32 Euro Expresszuschlag.

Aber Moment! Was ist mit der Geburtsurkunde, die ich so mühsam besorgt hatte? Braucht sie nicht, hat ja meinen Perso. Ahja, vielen Dank auch.

Ich trottete also zur Kasse, habe auf den Euro genau 91 Euro dabei, ärgere mich ein wenig ob dieser immens hohen Ausgaben für ein kleines Büchlein, nehme in einer unter zehn Minuten dauernden Aktion meine »Sie können Ihren Pass hier und dort abholen«-Schrieb entgegen und erfahre, dass ich Mitte nächster Woche den ersten Reisepass meines Lebens in Empfang nehmen kann.

Wir rechnen also mal zusammen: 11 Euro für eine nicht benötigte Geburtsurkunde plus 12 Euro für Passfotos plus 91 Euro für den Pass macht lockere 114 Euro für die Erlaubnis, für geschäftliche Zwecke in die USA einreisen zu dürfen. Immerhin, in den nächsten zehn Jahren werde ich diese Prozedur nicht mehr über mich ergehen lassen müssen.

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